Unsere Infografik zeigt beispielhaft sieben Familien und deren tägliche Herausforderungen rund um das Thema Sorgearbeit. In anschaulichen Infoboxen beleuchten wir nicht nur aktuelle Problemlagen und strukturelle Ungleichheiten, sondern stellen gleichzeitig auch mögliche Lösungsansätze vor.
Welche Bedeutung hat Care-Arbeit in unserer Gesellschaft? Wie beeinflussen bestehende Strukturen den Alltag von Familien? Und wo stehen wir in Sachen Geschlechtergerechtigkeit?
Taucht mit uns in verschiedene Familiensituationen ein und lasst uns gemeinsam darüber nachdenken, was sich ändern muss!
It’s time to care!
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Mario und Chris Romano sind vor Kurzem umgezogen. Nach einem schweren Unfall benötigt Chris plötzlich umfassende Unterstützung im Alltag und kann seine Arbeit nicht mehr wie bisher ausüben. Da weder ihre Wohnung noch ihr ländliches Lebensumfeld barrierefrei waren, war das Paar gezwungen, vom Land in die Stadt umzuziehen. Bei Chris’ Entlassung aus der Klinik wurden die Beantragungen von Sozial- und Pflegeleistungen in die Wege geleitet, doch das Verfahren war schwerfälliger als erwartet. Zuständigkeitskonflikte zwischen verschiedenen Leistungsträgern verzögern den Zugang zu finanziellen Hilfen, beispielsweise für die Wohnung, Pflege und Rehabilitation. Und da Mario seine Arbeit einschränken musste, um Chris angesichts der neuen Situation im Alltag zu unterstützen, steigt nun auch noch der finanzielle Druck. Überfordert versucht das Paar, zusätzliche Unterstützung bei einer Beratungsstelle zu finden.
Elisabeth William ist nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt. Ihre Tochter Jolanda hat über einen längeren Zeitraum in Teilzeit gearbeitet, um sich verstärkt in die Betreuung von Elisabeth einzubringen. Für Jolanda stellte der Spagat zwischen Beruf, familiärer Verantwortung und finanziellen Anforderungen jedoch zunehmend eine starke Belastung dar. Die tägliche Pflege ihrer Mutter überforderte sie. Zudem musste und wollte sie wieder mehr, d.h. vollzeitnah, in ihrem Beruf als Ärztin arbeiten. Dennoch ist sie froh, sich die Zeit für die Pflege genommen zu haben. Nach langem Überlegen entschieden sich Jolanda und Elisabeth für eine Live-In-Betreuung, vor allem aus Mangel an Alternativen. Jolanda hatte allerdings Mühe, überhaupt eine Agentur zu finden, die Bedingungen nach deutschem Arbeitsrecht für die Live-Ins garantiert. Schließlich vermittelte ihnen eine Agentur Ania Nowak, eine Betreuerin aus Polen, die Elisabeth nun zu Hause betreut. Sie entschieden sich für das Live-In-Modell, damit Elisabeth in ihrer vertrauten Umgebung bleiben konnte. Das macht das Zuhause von Elisabeth zu Anias Arbeits- und Lebensort. Elisabeth wiederum kann zwar in ihren vier Wänden bleiben, die Live-In-Kräfte wechseln allerdings alle drei bis vier Monate.
Nele und ihr Bruder Micha sitzen bei einer Tasse Kaffee zusammen und sprechen über die Herausforderungen der „Rushhour des Lebens“ – der intensiven Phase, in der Kinder klein sind und Eltern vor der doppelten Belastung durch Beruf und Familie stehen. Micha, dessen Partnerin Zeynab bald ihr erstes Kind erwartet, berichtet über die Elternzeitpläne des Paares. Er möchte gerne mehr als zwei Monate zu Hause bleiben, doch sein Arbeitgeber ist wenig begeistert und die finanziellen Einbußen bereiten ihm Sorgen. Nele hört aufmerksam zu und teilt ihre eigenen Erfahrungen. Durch ihr geringes Einkommen hat sie nur wenig Elterngeld bekommen und hatte nach ihrer Elternzeit Schwierigkeiten, eine passende Stelle zu finden. In ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft hat ihre Partnerin die Rolle der Hauptverdienerin übernommen, obwohl sie sich mehr Zeit für die Kinder wünschen würde.
Es ist Sonntagnachmittag bei Familie Becker. Ricarda und Luis planen die kommende Woche. Ricarda hält ihren kleinen Sohn Henri auf dem Arm und räumt nebenbei auf. Sie arbeitet 15 Stunden pro Woche als Hotelfachfrau, doch wegen unzuverlässiger Betreuungszeiten muss sie oft kurzfristig Schichten umplanen. Auch in der kommenden Woche gibt es wieder Betreuungslücken – sie wird einspringen müssen, da Luis in seinem Vollzeitjob als Industriemechaniker wenig flexibel ist. Luis sieht, wie viel Ricarda leistet, doch sein Gehalt ist für die Familie unverzichtbar. Die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit bedeutet für Frauen häufig eine stark eingeschränkte Erwerbstätigkeit – und gefährdet so ihre finanzielle Eigenständigkeit. Strukturelle Hürden erschweren eine gerechtere Aufteilung mit langfristigen Folgen vor allem für Frauen.
Robert Wang ist geschieden und arbeitet als Altenpfleger in der stationären Langzeitpflege. Er hat zwei Kinder – sein Sohn Liam macht gerade am Tisch Hausaufgaben. Die Kinder sind jeden Mittwoch sowie jedes zweite Wochenende bei ihm. Eigentlich arbeitet er gerne bei seiner Arbeitgeberin in der stationären Langzeitpflege, die Lohnbedingungen haben sich zumindest etwas verbessert, aber die (unplanbaren) Arbeitszeiten, häufig auch bedingt durch kurzfristigen Ausfall der überlasteten Kolleg_innen, stellen ihn vor allem an den Tagen, an denen seine Kinder da sind, vor immense Herausforderungen. Er spricht mit einer Kollegin darüber, die gerade zu Besuch ist. Sie selbst war mehrfach aufgrund der Belastungen in ihrem Beruf länger krank und hat deswegen ihr Einsatzfeld gewechselt.
Herr Demir hat vor einiger Zeit einen Platz im Pflegeheim erhalten, und Frau Demir ist nun allein in diese kleine Wohnung gezogen, da die Heimkosten für ihren Mann sehr teuer sind. Sie selber benötigt mittlerweile ebenfalls pflegerische Unterstützung, was u. a. auch verstärkt wurde durch die körperlichen und psychischen Belastungen bei der Pflege ihres Mannes. Obwohl sie ihren Mann so lange betreut und gepflegt hat, ist sie nun unsicher, wie sie selbst gut versorgt sein wird: Wo kann sie mit ihrer kleinen Rente Unterstützung erhalten? Sie erinnert sich, wie schwierig das alles für ihren Mann war, und ohne ihren Sohn Yanis wäre sie mit den ganzen Anträgen aufgeschmissen gewesen. Und findet sie überhaupt jemanden? Der ambulante Pflegdienst, der ihren Mann betreut hat, hatte zuletzt immer weniger Personal. Sie spricht mit ihrem Nachbarn über ihre Sorgen, während ihr Sohn gerade beim Einrichten ihrer Wohnung hilft.
Bei Familie Gajewski wird der Alltag durch die Überlastung in der Kinderbetreuung bestimmt. Mutter Anna arbeitet in einer stark ausgelasteten Kita. Gleichzeitig kämpfen sie und ihr Ex-Mann Jarek ständig mit den Betreuungslücken für ihre dreijährige Tochter Pina. Die Familie versucht, mit den begrenzten Kitaöffnungszeiten ebenso wie den ständigen und oft unvorhersehbaren Ausfällen klarzukommen, was ihren Alltag stark beeinflusst. Da es immer wieder zu Personalausfällen kommt, kann Pina nicht zuverlässig betreut werden. Anna muss kurzfristig Lösungen finden, um Arbeit und Kinderbetreuung zu vereinbaren, da sie Pina hauptsächlich alleine erzieht und Jarek in Vollzeit arbeitet.
In Deutschland leben 13 Millionen Menschen mit Behinderungen, doch nur zehn Prozent der ärztlichen Praxen sind barrierefrei. Der Zugang zu medizinischer Versorgung bleibt daher eine Hauptherausforderung für Menschen mit Behinderungen, die mit langen Fahrtzeiten zu Arztpraxen, Krankenhäusern oder Rehabilitationszentren konfrontiert sind. Auch die Anzahl von Wohnungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist begrenzt. Darüber hinaus sind Menschen mit Behinderungen mit vielfältigen Bedürfnissen konfrontiert, für die unterschiedliche Leistungserbringer und -träger zuständig sind. Tatsächlich haben sie Anspruch auf verschiedene Leistungen – etwa medizinische und berufliche Reha, Pflege, Wohnraumanpassung, Unterstützung bei Ausbildung, Arbeit und Mobilität. Zuständig sind hier viele Stellen: Krankenkasse, Pflegekasse, Renten- und Unfallversicherung, Arbeitsagentur, Sozialamt und andere. Das SGB IX regelt, welcher Träger für welche Leistungen zuständig ist. Trotzdem gibt es bei der Beantragung von Leistungen oft Streit darüber, wer zahlen muss, weil das Sozialsystem sehr kompliziert ist. Wenn jemand sowohl Eingliederungshilfe als auch Pflegeleistungen braucht, zahlt zuerst der Träger der Eingliederungshilfe. Dieser kann sich das Geld später von der Pflegekasse zurückholen. Das Ziel ist, Leistungen wie aus einer Hand zu erbringen, aber in der Praxis klappt das oft nicht gut. Die Koordination zwischen den Akteuren hängt zudem von der Zustimmung der betroffenen Person ab, die dafür Informationen weitergeben muss. Als zusätzliche Hilfe zum Abbau bürokratischer Hürden wurde in den letzten Jahren die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) als Schnittstellenunterstützung gefördert. Doch diese ist, ebenso wie digitale Beratungsangebote, noch unzureichend und führt zu langen Wartezeiten.
Die meisten auf Unterstützung angewiesenen Menschen wollen in der eigenen Häuslichkeit betreut werden. Live-Ins schließen in Deutschland eine Versorgungslücke vieler Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen. Schätzungsweise bis zu 420.000 Live-In-Kräfte sind momentan in Deutschland tätig. Sie sind meist weiblich und aus osteuropäischen Ländern. Die Live-In-Kraft in einem Pflegehaushalt wechselt in der Regel alle paar Wochen. Es gibt verschiedene „Vertragsmodelle“, die jeweils mit Risiken für alle Beteiligten verbunden sind und sich teilweise in der legalen Grauzone bewegen: Selbstständigkeit, Entsendung, Arbeitnehmerüberlassung, private Haushalte als Arbeitgebende, „Schwarzarbeit“. Die Pflegehaushalte sind mit den Unsicherheiten der Gestaltung einer legalen Beschäftigung weitestgehend auf sich allein gestellt.
Die Vermittlung läuft zumeist über sogenannte Agenturen. Offiziell haben Live-Ins Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn und geregelte Arbeitszeiten mit festen Pausen, in der Realität verstoßen die Arbeitsbedingungen im schwer kontrollierbaren Privathaushalt jedoch oft gegen arbeitsrechtliche Vorschriften: ungeregelte Arbeitszeiten (Mehrstunden, Einsatz in der Nacht, kaum freie Tage – weil pflegebedürftige Personen jederzeit Unterstützung benötigen können), die Trennung von Arbeits- und Privatleben ist fast unmöglich, die Entlohnung zumeist schlecht. Eine rechtlich zulässige Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch eine einzelne Person ist so kaum umsetzbar. Zudem ist die psychische Belastung für alle hoch. Die Live-In-Kräfte haben zumeist noch ihre Familien in ihrem Heimatland und leben somit zeitweise getrennt von diesen. In ihren eigenen Ländern ist der Bedarf an Pflegekräften auch hoch.
Über 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden von An- und Zugehörigen gepflegt. Diese sollten frei entscheiden können, ob sie selber pflegen oder professionelle Pflege in Anspruch nehmen. Doch wer pflegt, kann die Erwerbsarbeit oft nur begrenzt aufrechterhalten, pflegende Angehörige verkürzen ihre Arbeitszeit oder scheiden ganz aus dem Beruf aus. Die psychischen und physischen Belastungen sind teilweise sehr hoch, die gesetzlichen Unterstützungsleistungen sind unzureichend. Das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) wurde eingeführt, um pflegenden Angehörigen zu ermöglichen, ihre berufliche Tätigkeit mit der Pflege eines Familienmitglieds zu vereinbaren. Es bietet die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu reduzieren, aber keinen Lohnersatz bzw. Transferleistung für die fehlenden Arbeitsstunden. Dabei sind die meisten pflegenden Angehörigen auf das Geld angewiesen. Die Möglichkeiten des FPfZG in der aktuellen Form nutzen seit 2010 nur ca. zwei bis drei Prozent der Pflegenden. Zumeist übernehmen Frauen die unentgeltliche Sorgearbeit und sind häufig im Alter armutsgefährdet. Angehörigeninitiativen fordern seit Langem einen einfacheren und flexibleren Zugang zu Leistungen aus der Pflegeversicherung und angemessene Lohnersatzleistungen sowie eine bessere Pflegeinfrastruktur, u. a. in der Kurz- und Tagespflege.
Die sogenannte Rushhour des Lebens – die Phase, in der Kinder unter sechs Jahre alt sind – bedeutet für Eltern eine enorme Doppelbelastung durch Beruf und Familie. Meist reduzieren Mütter in heterosexuellen Partnerschaften in dieser Phase ihre Arbeitszeit, während Väter weiterhin Vollzeit arbeiten. Mit dem Älterwerden der Kinder ändern sich die Bedürfnisse von Familien, und viele Eltern wünschen sich gute Rahmenbedingungen für eine gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit. Doch strukturelle Hürden bleiben: Die Nutzung des Elternzeit- und Elterngeldsystems verstärkt oft bestehende Ungleichheiten, und sowohl gesellschaftliche als auch unternehmenskulturelle Normen erschweren eine partnerschaftliche Aufgabenteilung. Trotz Fortschritten in der Gestaltung des Elterngeldes ist eine gleichberechtigte Nutzung auch 2025 noch nicht erreicht. Weniger als die Hälfte der Väter in Deutschland nimmt das Elterngeld in Anspruch, und die meisten beschränken sich auf die zwei Partnermonate. Das 12+2-Modell bleibt damit tief in der gesellschaftlichen Praxis verankert. Gleichzeitig bietet das Elterngeld keine ausreichende soziale Absicherung für Paare mit geringen Einkommen – seit Einführung 2007 wurde das Elterngeld nicht erhöht.
Der Gender-Care-Gap bezeichnet die oftmals deutliche Lücke in der Zeitverwendung von Männern und Frauen für unbezahlte Sorgearbeit, also z. B. die Arbeit im Haushalt oder in der Kinderbetreuung. Dieser genderbedingte Unterschied ist der Grund, warum viele Mütter in Teilzeit arbeiten und so weniger Einkommen haben – auf ein ganzes Leben gesehen etwa die Hälfte dessen, was Männer verdienen (Gender-Lifetime-Earning-Gap). Oft fallen Eltern nach der Geburt des ersten Kindes in dieses Rollenmodell zurück. Frauen leisten deutlich mehr unbezahlte Arbeit in der Woche als Männer. Besonders hoch ist der Gender-Care-Gap, wenn Kinder unter sechs Jahren in der Familie leben: Er beträgt 15 Stunden pro Woche. In Westdeutschland entscheiden sich mit 60 Prozent immer noch die meisten Familien für das sogenannte Zuverdienermodell, bei dem der Vater in Vollzeit und die Mutter in Teilzeit arbeitet oder geringfügig beschäftigt ist. In Ostdeutschland sind häufiger beide Elternteile in Vollzeit erwerbstätig. Der Gender-Care-Gap resultiert in einem Gender-Earning und dann im Gender-Pension-Gap: Frauen, die in einem solchen Modell die eigene Erwerbsarbeit zurückstellen, sind in ihren Partnerschaften finanziell abhängig und haben später kaum eigene Rentenansprüche.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels nimmt der Bedarf an Pflegekräften in unserer alternden Gesellschaft rapide zu, während immer mehr Pflegekräfte altersbedingt ausscheiden. Trotz aller bisheriger Bemühungen droht in der Alten- und Krankenpflege eine Lücke von bis zu 690.000 Pflegekräften im Jahr 2049, die die Regionen unterschiedlich stark treffen wird. Schon bisher konnte die Versorgung nur durch Hilfe ausländischer Pflegekräfte gelingen, während die Zahl der deutschen Beschäftigten in den Pflegeberufen seit 2021 rückläufig ist. Der Personalmangel in vielen Einrichtungen sorgt dauerhaft für Arbeitsverdichtung und die Notwendigkeit, kurzfristig einspringen zu müssen, um die Versorgung sicherzustellen. Pflegeerwerbsarbeit ist kaum mit familiärer Pflegeverantwortung vereinbar. Aktuell erreicht der Krankenstand von Pflegekräften einen Höchststand, psychische Anforderungen wie Zeitdruck und Arbeitsverdichtung prägen Pflegearbeit ebenso wie hohe körperliche Anforderungen. Pflegekräfte reduzieren angesichts des hohen Zeitdrucks ihre Arbeitszeit oder gehen früher in Rente. Einige nutzen vermeintlich prekäre Erwerbsmodelle, wie die Zeitarbeit und Selbstständigkeit, um sich mehr Autonomie zu verschaffen und die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen selbst in die Hand zu nehmen. Der gewerkschaftliche Organisierungsgrad ist häufig gering. Pflegende brauchen Entlastung, mehr Zeit für die Pflege, planbare Arbeitszeiten, mehr Kompetenzen und Selbstbestimmung – es müssen langfristige Perspektiven geschaffen werden, um Menschen für den Beruf zu gewinnen.
Es muss an vielen Stellschrauben gedreht werden, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und Pflegeberufe attraktiver zu gestalten:
In Deutschland fehlen derzeit vielerorts Kitaplätze und Erzieher_innen. Besonders im Westen arbeiten viele Einrichtungen am Rande ihrer Kapazitäten, während im Osten Deutschlands Kitas wegen sinkender Kinderzahlen zum Teil schließen müssen. Laut aktueller Studien bleibt die Betreuungslücke durch Fachkräftemangel in vielen Regionen bestehen, auch wenn sich die Lage nicht überall zwangsläufig verschärfen wird. Die Folge ist vielerorts eine hohe Arbeitsbelastung für Erzieher_innen und eine unzureichende Betreuungsinfrastruktur für Familien. Aktuelle Daten zeigen, dass Kitapersonal insgesamt wesentlich häufiger von Arbeitsunfähigkeitsmeldungen betroffen ist als andere Berufsgruppen. Besonders hoch ist hierbei der Anteil der Krankmeldungen wegen psychischer Erkrankungen. Der bereits bestehende, strukturell bedingte Personalmangel führt zu ungünstigen Arbeitsbedingungen, was wiederum eine höhere Arbeitsbelastung der Beschäftigten zur Folge hat und den Personalmangel weiter verschärft. Insbesondere Alleinerziehende sind auf eine verlässliche Betreuung angewiesen. Problematisch ist auch, dass die Teilhabechancen von Kindern bereits in den ersten Lebensjahren sehr ungleich verteilt sind. Im Ergebnis gehen vor allem sozioökonomisch benachteiligte Familien oder solche, in denen überwiegend kein Deutsch gesprochen wird, bei der Suche nach einer Kita leer aus.
Im familienbasierten Pflegesystem Deutschlands gilt der Grundsatz ambulant vor stationär. Die öffentlichen Ausgaben für Pflegeleistungen sind geringer als in Ländern mit service- und infrastrukturbasierten Pflegesystemen. Wenn aufgrund des Krankheitszustands oder der familiären Situation doch ein Heimplatz in Anspruch genommen wird, ist das sehr teuer. Die Pflegeversicherung übernimmt nur einen Teil des pflegebedingten Anteils der Kosten. Die darüber hinausgehenden Kosten müssen die Pflegebedürftigen bzw. ihren Angehörigen tragen. Diese steigen auch kontinuierlich. Viele müssen deswegen Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) beantragen. Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen haben zudem ein höheres Pflegerisiko als Menschen mit hohem Einkommen. Um zu vermeiden, dass Pflegebedarf zum Armutsrisiko wird, muss die Pflegefinanzierung auf neue Füße gestellt werden.
Wenn man in der eigenen Häuslichkeit gepflegt wird, verrichten ambulante Pflegedienste in der Regel die Behandlungspflege. Allerdings ist es häufig schwierig, einen solchen Dienst zu finden (u. a. wegen Personalmangel, Insolvenzen, Aufnahmestopp). Auch hier ist die Kostendeckung (monatliches Budget) durch die Pflegeversicherung begrenzt. Manche Menschen entscheiden sich stattdessen für das Pflegegeld. Insbesondere Unterstützungsbedarfe an der Schwelle zur Pflegebedürftigkeit sind schwierig zu organisieren. Bei der Grundpflege sowie der Unterstützung beim Einkauf, in der Haushaltsführung, bei der Sicherung der Mobilität und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mangelt es an geeigneten Angeboten. Und erst nach dem langwierigen Prozess der Pflegestufenbeantragung besteht die Möglichkeit, für bestimmte Dienstleistungen eine Rückerstattung von den Pflegekassen zu erhalten (Unterstützung im Alltag). Manche Menschen können auf Nachbarschaftshilfe zurückgreifen, viele jedoch nicht.
Finanzierung der Pflege
Wir sind extra umgezogen, weil unsere alte Wohnung nicht barrierefrei war und es auf dem Land einfach viel zu wenige barrierefreie Arztpraxen gab. Aber bisher merke ich kaum Verbesserungen. Ich hoffe, dass wir hier zumindest bessere Unterstützung finden. Wir brauchen Menschen, die uns helfen, die bürokratischen Hürden zu meistern – und zwar dringend! Sonst wird es mit der hohen Miete echt schwierig, und ich muss wieder mehr arbeiten. Dabei möchte ich doch Zeit für dich haben.
Ich versuche, einen Termin bei einer nahegelegenen Beratungsstelle zu bekommen. Im Internet steht, dass uns vermutlich neben der Ansprechperson bei der Eingliederungshilfe (EGH) eine ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) weiterhelfen kann. Ich möchte so schnell wie möglich wieder arbeiten – aber es gibt keine freien Termine, nicht einmal online. Wie kann das sein? Ich fühle mich völlig verloren zwischen dem Hin und Her der verschiedenen Stellen, vor allem mit dem Eingliederungshilfeträger und der Pflegekasse. Das ist alles so kompliziert!
Heute war ich so spät hier, da ich noch eine akute Augen-OP im Krankenhaus übernehmen musste. Aber: Es ist gut, dass ich jetzt wieder mehr arbeiten kann, auch wenn ich weiß, dass es für euch ungünstig ist, dass ich häufiger erschöpft bin und nur spät und manchmal sogar gar nicht vorbeikommen kann.
Ich bin froh, dass ich überhaupt jemanden gefunden habe. Ich konnte einfach nicht mehr, auch wenn ich schöne Momente mit meiner Mutter hatte. Ich hoffe, dass es auch für die beiden gut organisiert ist. Ich weiß, dass es für meine Mutter schwer zu akzeptieren ist, fremde Hilfe anzunehmen. Ania muss eigentlich ständig für meine Mutter da sein. Ich hoffe, dass die Person, die als Nächstes kommt, auch so gut zurechtkommt.
Ich bin auch dankbar, dass Ania da ist. Hauptsache ich muss nicht in ein Pflegeheim. Sie gibt mir die Möglichkeit, hier in meinem Zuhause zu bleiben. Es ist gut, jemanden da zu haben, auch wenn es nicht das Gleiche ist wie früher, als meine Tochter hier war und mich hauptsächlich unterstützt hat. Ich wäre froh, wenn immer die gleiche Person bleiben könnte.
Ich kümmere mich gern um Frau William, aber es ist schwer. Ich fühle ich mich oft überfordert, besonders wegen der Krankheit. Der Pflegedienst hat kaum Zeit, wenn er kommt. Eigentlich mache ich alles, auch Sachen, die in Deutschland eine lange Ausbildung erfordern. Frau William macht es mir oft schwer und wir verstehen uns nicht immer. Natürlich bin ich immer für sie da. Allerdings ist es schwierig, einen richtigen Feierabend zu finden. Ich versuche es regelmäßig, vor allem um mit meinen Enkeln in Polen zu telefonieren.
Seit Zeynabs Schwangerschaft überlegen wir hin und her, wie wir die Elternzeit aufteilen. Das System ist so kompliziert. Mein Chef hat schon angedeutet, dass es schwierig werden könnte, wenn ich länger als zwei Monate aussteige. Die meisten Väter in meinem Umfeld nehmen keine Elternzeit oder nur ein oder zwei Monate – und wenn ich mehr mache, wirkt sich das auch sehr auf unser Einkommen aus.
Für mich und meine Partnerin sieht es noch mal ganz anders aus. Unsere Kinder sind ja schon drei und sechs, aber ich habe durch mein geringes Einkommen nur wenig Elterngeld bekommen. Für uns hat es vorne und hinten nicht gereicht. Besonders weil alles teurer geworden ist. Meine Partnerin arbeitet deshalb seit der Geburt unserer Tochter in Vollzeit, obwohl sie sich mehr Zeit mit den Kindern wünscht.
Seit der Geburt der Kinder arbeite ich in Teilzeit, aktuell sind es 15 Stunden. Nach meinen Elternzeiten hat sich das einfach so ergeben, Luis verdient in seinem Beruf deutlich mehr. Ich würde gern etwas mehr arbeiten, aber mit all den Aufgaben rund um die Kinder und den Haushalt bleibt dafür keine Zeit. Es ist so schon sehr stressig, ich muss an alles denken. Die Kitaschließzeiten, ständige Ausfälle und Arzttermine muss ich oft alleine stemmen. Unterstützung, zum Beispiel durch Großeltern, haben wir keine.
Ich weiß, dass Ricarda viel Arbeit mit den Kindern übernimmt und sie dadurch oft gestresst ist. Ich habe durch meine Vollzeitstelle nur begrenzt Zeit – wir brauchen auch das Geld. Es wäre gut, wenn es mehr Möglichkeiten zur Unterstützung gäbe und flexiblere Arbeitszeiten, dann könnte ich auch mehr übernehmen.
Ich habe heute endlich mal recherchiert, welche Möglichkeiten es bei einer Zeitarbeitsfirma für mich gibt und wie ich mich da bewerben kann. Ich habe mich einfach so geärgert, dass unsere Dienstleitung mich wieder für den nächsten Wochenenddienst im Schichtplan eingetragen hat, obwohl sie doch weiß, dass ich jedes zweite Wochenende die Kinder habe. Dieses ständige Einspringen geht einfach nicht mehr, es war schon schwierig, als wir früher noch zu zweit waren … Ich möchte einfach Zeit für mich und meine Kinder haben.
Ja, das ging mir auch so. Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten. Andererseits kann die Pflegedienstleitung auch nichts dafür, dass Martina schon wieder länger ausfällt – Martinas Rücken ist einfach kaputt. Es gibt einfach keinen Personalpuffer, um Ausfälle auszugleichen. Und die Pflegehilfskräfte sollen am Ende den Laden alleine schmeißen. Ich bin zugegebenermaßen froh, dass ich jetzt selbstbestimmter arbeiten und mir aussuchen kann, wann ich arbeite. Als selbstständige Betreuungskraft habe ich auch endlich Zeit, mich um die Menschen zu kümmern.
Ich finde das doof, dass wir heute Abend wieder alleine sind, weil Papa die Nachtschicht übernehmen muss. Dabei sind wir doch eh nur an bestimmten Tagen bei ihm. Warum kann er nicht irgendwo arbeiten, wo man geregelte Arbeitszeiten hat?
Ich hoffe, dass mein Burak jetzt besser versorgt ist. Das Heim kostet zwar 3.000,00 Euro im Monat, und dafür reicht seine Rente nicht, obwohl er sein ganzes Leben hart gearbeitet hat. Aber es ging zu Hause einfach nicht mehr. Zum Glück hat Yanis alles mit der Person vom Sozialdienst im Heim geregelt. Und dann noch mein Umzug deswegen. Ich verstehe das alles nicht mehr – und ich kann auch selber nicht mehr.
Ja, das ist alles ziemlich überfordernd. Ich habe das bei meiner Frau durchgemacht und kenne mich mittlerweile mit Beratungsangeboten und Unterstützungs-möglichkeiten bei uns im Viertel ganz gut aus und kann gerne mit einem Kontakt, z. B. zur Seniorenassistenz helfen. Außerdem kann ich Ihnen auch mal bei den Einkäufen zur Hand gehen – ich wohne ja direkt gegenüber.
Ich bin froh, dass Papa erst mal versorgt ist, und hoffe, Mama erholt sich wieder. Aber ich merke jetzt schon, dass sie eigentlich auch Unterstützung braucht.
Pina muss im Notfall noch einmal von den Großeltern betreut werden. Die Kita ist mittlerweile viel zu unzuverlässig. Ich kann Pina nur im Notfall übernehmen, weil ich arbeiten und sonst auch am Wochenende Schichten übernehmen muss – und da ist Pina ja eigentlich alle zwei Wochen bei mir. Mein Chef macht es nicht mehr lange mit, dass ich ständig einspringe.
Bei uns sind wieder so viele Kolleginnen krank – wie soll ich die Gruppen morgen mit nur einer Kollegin betreuen? Und was machen wir, wenn Pina morgen wieder nicht in die Kita kann? Ich merke bei der Arbeit ja selbst, wie schwierig die Lage in den Kitas ist. Wir bekommen einfach kein geeignetes Personal, was das Team sehr belastet. Letztendlich geht das auch auf Kosten der Kinder.